Wann genau unsere 13 Teilnehmer des Workshops „Wissenssicherung mit Storytelling – das Potential narrativer Methoden in mittleren und großen Unternehmen“ der Ruf des Abenteuers ereilt hat wissen wir nicht genau, aber vielleicht saßen sie in genau diesem Moment nichts sahnend an ihrem Schreibtisch, als ein Kollege den Flyer zur Fachtagung (organisiert von T. A. Cook), auf ihren Tisch legte, oder es machte Bing und die Mail mit der Tagungs-Ankündigung befand sich in ihrem Posteingang und machte sie neugierig. Schließlich haben sie sich für den Workshop angemeldet und dann sind sie wohl wieder ihren vielfältigen Aufgaben des Arbeitsalltags nachgegangen.
Dann war der 7. Mai 2012 gekommen und unsere 13 Teilnehmer machten sich bereit zum Aufbruch ins Unbekannte. Da saßen sie nun im kleinen Konferenzraum des NH-Hotels in Frankfurt und fragten sich, was die folgenden vier Stunden zum Thema Storytelling ihnen wohl bringen würden. Noch waren sie sich alle unbekannt und vielleicht fürchtete der ein oder andere Teilnehmer in diesem Moment, bald selbst Geschichten in dieser fremden Runde erzählen zu müssen.
Viel Zeit zum Nachdenken gab es nicht, denn gleich kam Bewegung in die Gruppe. Alle wurden aufgefordert, sich auf einer imaginären Linie im Raum von 1 („ich weiß gar nichts über Storytelling“) bis 10 („ich bin Storytelling-Profi“) zu verorten. Sie Meisten siedelten sich zwischen eins und zwei an.
Also holten wir die Teilnehmer ab und sind etwas tiefer in die Theorie von Storytelling und narrativen Methoden in Unternehmen eingestiegen. Zunächst haben wir geklärt, was Storytelling im Kontext Unternehmen eigentlich bedeutet und was unter narrativen Methoden genau zu verstehen ist. Als nächstes haben die Teilnehmer einen kleinen „Storytelling-Crash-Kurs“ von uns bekommen und erfahren, aus welchen Elementen eine Geschichte eigentlich besteht und wie man eine gute Geschichte erzählt (Kernaussage, Protagonisten, Zutaten, Details, Handlung/Dramaturgie, Geschichtsformen). Dann kamen wir zur Geschichtsform „Heldenreise“.
Jetzt mussten unsere Teilnehmer selbst aktiv werden und in die Heldenreise einsteigen.
Die Heldenreise ist eine der bekanntesten Geschichtsform. Entwickelt hat sie der der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell (1904-1987), in dem er aberhunderte von Mythen, Erzählungen, Sagen aus unterschiedlichen Kulturen und Epochen miteinander verglich. Er hat ein immer wieder kehrendes Erzählschema in allen diesen Geschichten gefunden: das der Heldenreise. Im Original von Campbell gibt es dabei 12 Stationen der Heldenreise. Frenzel, Müller und Sottong (2006) haben sie auf 5 Hauptstationen vereinfacht: 1. Ruf des Abenteuers, 2. Aufbruch ins Unbekannte, 3. Weg der Prüfungen, 4. Der Schatz, 5. Die Rückkehr.
Anhand eines narrativen Beispiels, einer abenteuerlichen Entdeckungsreise, haben wir jede Station der Heldenreise erzählt, dann waren unsere Teilnehmer dran, in drei Gruppen eine eigene Heldenreise aus ihren Erfahrungen zu entwickeln. Zunächst für den ein oder anderen eine nicht so ganz einfache Aufgabe, fast schon ein Weg der Prüfungen, denn auf diese Art und Weise hatten sie bislang die eigenen Erlebnisse, Projekte oder Prozesse im Unternehmen noch nicht betrachtet. Aber nach und nach wurden unsere Workshop Teilnehmer immer mehr zu Helden ihrer eigenen Geschichte und es entwickelten sich spannende Zusammenhänge, Diskussionen und neue Betrachtungsweisen. In den Köpfen fing es an zu arbeiten:
Das lässt sich auch für die Team- und Mitarbeitermotivation einsetzen! Usw.
Wie lassen sich Storytelling bzw. narrative Methoden konkret als Management-Tool einsetzen und was bringt das Unternehmen? Das waren jetzt die brennenden Fragen, die im Raum standen und in Teil zwei unseres Workshops gaben wir darauf Antworten. Und zwar anhand zweier „Schätze“ bzw. Beispiele aus den Projekten von NARRATA Consult:
Praxisbeispiel eins demonstrierte den Einsatz von Storytelling im Projekt-Debriefing eines Stahlherstellers. Es ging um die Erfassung und Aufbereitung von Erfahrungen einer sehr heterogenen Projektgruppe beim Bau einer millionenschweren Feuerverzinkungs-Anlage.
Das zweite Praxisbeispiel zeigte auf, was narrative Methoden beim Problem „Leaving Experts“ leisten können, besonders wenn es um das schwer zugängliche Erfahrungswissen von Experten geht. Durch narrative Interviews wurde es einem ausscheidenden Experten eines internationalen Pumpenherstellers möglich, seine Erfahrungen mit Stillständen und Störfällen, mit Nachrüstungen und verschiedenen Serientypen der Hauptkühlmittelpumpen von AKWs anhand von Beispielen und „Stories“ in Worte zu kleiden und für das Nachfolgeteam übertragbar zu machen.
Am Ende des Workshops baten wir die Teilnehmer, sich noch einmal auf der imaginären Linie im Raum zwischen von 1 bis 10 zu verorten. Wir waren gespannt: Was hat der Workshop gebracht? Fühlten sich die Teilnehmer nun besser über Storytelling in Theorie und Praxis informiert? Fast alle sind in der Skala nach oben geklettert, waren aber auch der Meinung, dass vier Stunden zu dem Thema natürlich nur ein Einstieg sein können.
Der Workshop „Wissenssicherung mit Storytelling“ ist vorüber und auch der von T. A. Cook organisierte Kongress „Wissensmanagement in der Instandhaltung 2012“ ist am 09. Mai 2012 zu Ende gegangen (ein Rückblick auf die Tagung siehe eigener Blogbeitrag).Unsere Teilnehmer haben die Rückkehr angetreten und sitzen längst wieder an ihren Schreibtischen im gewohnten Umfeld des Unternehmens und arbeiten an ihren Projekten mit ihren Teams.
Was ist geblieben, was wird sich für sie durch die Teilnahme am Workshop und am Kongress für ihre Arbeit im Bereich Wissensmanagement verändern? Welche Impulse konnten die Teilnehmer mitnehmen? Das wird für die nächsten Wochen, Monate und Jahre die entscheidende Frage sein und wir wünschen allen ganz viel Erfolg und Inspiration für die Arbeit mit einer der wertvollsten Ressourcen überhaupt: dem Wissen und den Erfahrungen von Mitarbeitern.
Dr. Karin Thier & Christine Erlach