Design Thinking ist Arbeiten im Vollrausch.
Findet zumindest der Berliner Design-Thinking Pionier Ulrich Weinberg. Als Weinberg, eigentlich Professor an der Hochschule für Film und Fernsehen, vor etlichen Jahren das erste Mal an der d.school der Stanford University das Arbeiten mit Design Thinking – einer auf strukturierter Wissensteilung basierenden Innovationsmethode – erlebte, fragte er seinen Begleiter, den SAP-Mitbegründer und Design Thinking-Fan Hasso Plattner, irritiert: Woher kommt diese Energie? Sind die alle auf Droge?
Von dieser ersten Begegnung berichtete Weinberg – inzwischen Leiter der 2007 nach dem Stanford-Vorbild ins Leben gerufenen „School of Design Thinking“ am Hasso-Plattner-Institut der Universität Potsdam – jüngst, als er am 19. Oktober in Berlin eine Kostprobe der berauschenden Denkschule offerierte. Auf dem von der Freien Universität Berlin organisierten Entrepreneurship Summit lud er rund 30 Besucher ein, sich selber in einem Workshop an Design Thinking zu versuchen. Eine formidable Gelegenheit!
Forscher aus verschiedenen Disziplinen haben verschiedene Techniken, verschiedene Arbeitsweisen und unterschiedliche Denkansätze. Bringt man sie zusammen und berücksichtigt dabei auch Umsetzbarkeit und Wirtschaftlichkeit der gefundenen Ideen, ist der Fortschritt meist groß
Im Zentrum von Design Thinking steht dabei, dass der Prozess planvoll, nach einer festgelegten Ordnung und Struktur abläuft.
Was das in der Praxis heißt, erlebten die rund 30 Teilnehmer des gut zweistündigen Workshops bei der Suche nach Lösungen zu der konkreten Frage, wie man Menschen unterstützen kann, zu Gründern zu werden. In einer kurzen Einführung skizzierte Weinberg den idealtypischen Prozess des Design Thinking, der in der Regel folgende Schritte beinhaltet:
Wichtig ist, dass dieser auf den Ideen von David Kelley, Gründer der Design-Agentur IDEO und Stanford-Professor, beruhende Prozess sicherstellt, dass das Wissen aller einfließen kann, und dass die Bedürfnisse der Betroffenen im Fokus stehen. Ihre Möglichkeiten, ihr Wissen, ihre Anforderungen, ihre Wünsche sind maßgeblich. Sie müssen erkannt und intensiv kommuniziert werden.
Dabei durchläuft der Prozess in der Regel mehrere Runden. Durch frühes Erstellen und Testen von Prototypen werden Ideen schnell umgesetzt und evaluiert. Der Fokus liegt dabei weniger auf der detailgenauen Ausarbeitung von Ideen, sondern vielmehr darauf, umfassend zu experimentieren und neue Einsichten zu sammeln. Durch das Wiederholen und Abwechseln der verschiedenen Schritte entsteht ein zunehmend besseres Verständnis für das Problem und mögliche Lösungen. Eine Fehlerkultur ist ausdrücklich willkommen.
Dieser Prozess muss nicht lange dauern. Selbst in einem zweistündigen Workshop kann er erstaunliche Ergebnisse erzielen – wie ich nur wenige Tage später auf der Messe „Deutsche Gründer- und Unternehmertage“ (deGut) feststellen konnte, die am 25. und 26. Oktober mehr als 6000 Besucher in den ehemaligen Tempelhofer Flughafen lockte.
Auch hier gab es die Chance, an einem Design Thinking Workshop teilzunehmen. Aufgabe der Workshop-Leiterin Wencke Schwarz war die Entwicklung eines Schuhs, der Menschen glücklicher macht. (Die wichtigsten Ziele und Prozessschritte des Design Thinking stellte deGut-Referentin Wencke Schwarz schon vor der Veranstaltung in folgendem Video vor http://www.youtube.com/watch?v=NL4q4yuj-IU)
Auch an diesem Tag durchliefen die Teilnehmer des gut zweistündigen Workshops im Eilschritt einen Teil des Design-Thinking-Prozesses – mit beeindruckenden Ergebnissen: Die Innovations-Ideen reichten vom „Energiespeicher-Schuh“, der Energie, die bei der Reibung der Schuhsohle am Untergrund entsteht, speichern und beispielsweise zur Handyladung nutzen kann, über einen „Blinden-Schuh“, der seinem Träger fortlaufend akustische Informationen über die Bodenbeschaffenheit liefert, bis zum „Komponenten-Schuh“, der sich je nach Anlass unkompliziert anpassen lässt. Zwar reichte die Zeit nicht mehr für den Prototypen-Bau. Doch die Stimmung während des Prozesses und direkt im Anschluss war ähnlich wie Design-Thinking-Pionier Weinberg sie bei seinem ersten Kontakt mit Design Thinking empfand. Alle waren enthusiastisch. Und das ganz ohne Drogen.
Mit vielen Grüßen aus Berlin Kerstin Friemel