Ist das Storytelling, wenn im Video „The global Skin“ über Crowdsourcing weltweit gesammelte Videoausschnitte über das Thema Textil zusammengestellt werden, wenn skurril anmutende Selfies von Netzkunstfiguren sich in Szene setzten oder wenn journalistisch über anonyme digitale Gestalten, wie z. B. die Akteure im GuttenPlag-Wiki berichtet wird?
Diese Frage trieb nicht nur mich, sondern wohl auch den ein oder anderen Teilnehmer der 3. Storytelling-Konfernz am 13. November 2014 in Luzern während der Vorträge, um. Ein anwesender Regisseur und Drehbuchautor hat sie dann auch tatsächlich gestellt, die Frage: Wo ist denn da die Story? – und hat dafür spontanen Beifall aus dem Publikum erhalten.
Tatsächlich erscheint vieles, was unter dem Label Storytelling im Bereich Transmedia, Social Media oder Crossmedia, etc. zu finden ist, auf den ersten Blick nichts mit der allgemein bekannten Erzählform zu tun zu haben. Ein klarer Erzählstrang mit Anfang – Mitte – Ende fehlt, die Linearität einer Geschichte wird aufgebrochen und die Autorität des Geschichtenerzählers wird abgelöst zugunsten multipler Erzähler.
Momentan befinden wir uns mitten in einem Experimentierstadium neuer Erzählformen (über und mit Sozialen Medien) und vieles ist noch nicht ganz ausgegoren bzw. für das breite Publikum doch recht ungewohnt. Doch dürfen wir hier gerade erleben, wie neue, inspirierende Ansätze und Möglichkeiten des Storytellings entstehen und ich finde wir sollten offen, mutig und mit Lust schauen, hören, probieren und hinterfragen…
Jetzt aber zur Storytelling Konferenz, mit dem Untertitel Identity Stories – von Selfie bis Marke:
Jeder einzelne der recht unterschiedlichen Vorträge und Aktionen gestern beim #STK14 hat seine Note bei mir hinterlassen und ich möchte meine Eindrücke hier in aller Kürze im („Twitter-Steno“) teilen:
Frederic Martel “The different identities of the Internet”
@martelf Jetzt weiß ich, im Internet gibt es keine Borders, aber durchaus Frontiers. Das „gleiche“ Internet ist für jeden anders.
Margarete Jahrmann „#selviegame14 – Identity, Role Play and no Fun!!
@LudiciaC Danke für die Einblicke in eine für mich noch recht skurille (Story- / Selfie-)Welt.
Hans Peter Danuser von Platen „Identität und Markenstrategie im Tourismus“
@danuserplaten Das Alphorn macht den Unterschied? Storytelling ist immer auch Storyselling.
Marina Belobrovaja „Das DNA Projekt“
Eine emotional hochbrisante und spannende Arbeitsweise: einzelne Reaktionen auf persönliche Statements (z. B. zum Judentum) in Videos zusammenzufassen und die Reaktionen auf das Video wiederum zu filmen, in einer Endloskette. Sehr spannend!
Bernt Vann „Stories ohne Identitäten?“
@ruppmax Schwarmintelligenz im Schwimmbad live erlebt und viele Hintergründe wie Netzphänomene wie das GuttenPlag-Wiki funktionieren (Es geht das Gerücht um, er hieße eigentlich Max Ruppert :-)).
Valentin Groebner „Identität ist nicht immer die beste Idee“
Provozierte mit der These: Identity Stories sind lediglich eine Lücke, die gefüllt wird. Er sagt: „Wer sich über seine Wurzeln definiert, steigt in die Finsternis hinab.“ Huu…
(Am Applaus zu hören: er traf einen Nerv. Gerne hätte ich in einem Teil 2 des Vortrags mehr über seine Ideen für Alternative Stories „auf Höhe der Augen heraus“ erfahren.)
Hansi Voigt „Identität im Newsgeschäft“
@watson_news das neue Schweizer Online-Newsprotal Watson! Er sagt seinen Redakteuren: schreibt keine Reportagen, schreibt Geschichten! Da schau ich rein.
Frank und Patrik Riklin „Fliegen retten in Deppendorf“
@sonderaufgaben Gerade als sich die Wandlung des Unternehmers Reckhaus vom Saulus zum Paulus vollzog (also vom Insektenschutzmittelhersteller zum Insektenschützer) musste ich zum Zug. Wie Storytelling und Kunst ein ganzes Unternehmen umgekempelt hat, kann ich hoffentlich im Video zur Storytelling Konferenz 2014 online schauen?
+ @Susanne, die ich auf der #STK14 kennenlernen durfte und die mir eine bislang unbewusste Perspektive auf Storytelling eröffnete: den Raum! Und damit die Frage, inwieweit der Rahmen und der Ort, in dem Geschichten erzählt werden die Geschichte, die Zuhörer und die Erzähler beeinflusst.
Apropos Raum, die sehr spezielle Storytelling-Atmosphäre im Neubad in Luzern hat mir sehr gut gefallen. Erwähnt werden muss unbedingt auch das exzellente Catering und natürlich das Illustratoren-Team, dass die gesamte Konferenz mit „on time Illustrationen“ dokumentierte.
Ich sage herzlichen Dank an das Team des Center for Storytelling (Kurt Reinhard, Florian Wieser und Axel Vogelsang) für diesen inspirierenden Tag und ich bin gespannt, wohin uns die Frage: Wo bleibt bzw. wie ist die Story in den neuen Erzählformen und Medien bis zum STK15, weiter führen wird…
Mit vielen Grüßen,
Karin Thier (NarrKat)
P.S.: eine tolle Storify-Zusammenfassung der Konferenz hat Rene F. Lisi zusammengestellt.