Ein Geheimnis guter Dokumentarfilme liegt in dem Gefühl, ganz nah an etwas „echtem“ dran zu sein. Wir spicken durchs Schlüsselloch in eine andere, fremde, faszinierende Welt. Wir schauen zu, wie etwas Schönes oder Tragisches passiert. Und anders als bei fiktiven Stoff, haben Dokumentarfilme den Charme des Reellen, des tatsächlich Passierten, was vieles was wir sehen noch erstaunlicher erscheinen lässt.
Einem guten Dokumentarfilm gelingt es sogar, uns für scheinbar vorhersehbare, bekannte Geschichten (die Kennedy-Tragödie, die Polarexpedition von Shackelton) zu interessieren, oder uns für Themen zu fesseln, die auf den ersten Blick vielleicht sogar eher langweilig erscheinen (z. B. die Dokumentation über die Tänzerin Pina Bausch, die nicht nur Balletfreaks begeisterte).
Warum ist das so? Das unser Gehirn Geschichten liebt, ja sogar in Form von Geschichten denkt, ist längst kein Geheimnis mehr. Seit Kindesbeinen an sind wir es gewohnt in Form von Geschichten zu denken. Die Gehirnforschung belegt auch, dass wir uns Dinge besonders gut merken und sie einordnen können, wenn sie uns emotional berühren und da haben Dokumentarfilme gegenüber Fachbeiträgen einen klaren Vorteil. Auch vermag eine gute Geschichte Menschen mehr zu begeistern und zu motivieren, als so manche stichhaltigen Argumente und statistischen Belege. Ein Grund auch, warum Storytelling in Marketing und PR gerade so boomt.
Der Aufbau guter Dokumentarfilme und das Prinzip des „echten“ und des „ganz nah dran seins“ ist dabei so erfolgsversprechend wie auch einleuchtend, dass es eine Überlegung wert ist, ob und wie es sich auf Themen in Unternehmen (wie z. B. Präsentationen, Recruiting, Wissensvermittlung, Projektmanagement und Unternehmenskultur) übertagen lässt. Mit unserer Blogreihe „Wie ein guter Dokumentarfilm“ wollen wir das einmal genauer betrachten. Los geht’s mit der Frage:
Täglich werden überall auf der Welt auf Konferenzen, Tagungen und Veranstaltungen aller Art, tausende von Vorträgen gehalten. Leider werden dabei immer noch die meisten dieser Präsentation von den Zuhörern als langweilig und langatmig empfunden. Und obwohl die Präsentationstechnik stetig voranschreitet und uns neue Effekte, wie z. B. die Einspielung von Videos, ermöglicht, haben wir Vortragende uns selbst kaum wirklich verbessert. Immer noch gleichen die meisten Präsentationen eher nüchternen Fachberichten, die Tatsache an Tatsache, Ergebnis an Ergebnis reihen.
Ein Lichtblick und eine angenehme Abwechslung in Vorträgen sind da selbsterlebte Anekdoten oder ein persönliches Beispiel, eine erzählte Erfahrung. Plötzlich ist dann dem Vortragenden die volle Aufmerksamkeit des Publikums sicher. Bestimmt haben Sie es schon öfters beobachten können: selbst bereits leicht eingenickte Teilnehmer horchen auf, wenn es heißt: „Jetzt erzähle ich Ihnen mal was ich neulich erlebt habe…!
In vielen Präsentationskursen wird daher heute Storytelling und das Erzählen von Geschichten trainiert.
Einen Schritt weiter geht ein guter Präsentator, wenn er nicht nur kleine Stories und Anekdoten in seine Präsentation einfließen lässt, sondern seinen gesamten Vortrag als eine Art Dokumentarfilm denkt und dementsprechend Aufbaut.
Dabei sind folgende Fragen leitend: Welche Ausgangslage will ich den Zuhörern präsentieren (Bestimmung des Problems)? Welcher spannende Konflikt taucht auf (Ursache des Problems)? Wie wird das Problem / der Konflikt gelöst? Zu welcher veränderten Endsituation führt das Ganze?
Durch die Auseinandersetzung mit diesen Fragen entsteht sozusagen ein „Vortragsplot“, der den Zuhörer mit auf ein „Vortragsabenteuer“ nimmt. Sie gehen, im übertragenen Sinne, gemeinsam mit dem Publikum auf eine Reise durch einen Konflikt und seine anschließende Auflösung. Wenn Ihnen das gelingt, dann sind Sie anderen Präsentatoren meilenweit voraus. Das sagt auch Guy Reynolds einer der führenden Präsentationstrainer dieser Tage.
Vielleicht werden feststellen, dass sich Ihre Vortragsinhalte durch dieses Vorgehen gar nicht grundlegend verändern werden. Das sollen Sie ja auch nicht, denn Ihr Vortragsthema bleibt dasselbe. Was sich aber ändert, ist die Dramatik Ihres Vortrages. Aus einer Einleitung wird eine spannende oder schwierige Ausgangslage mit einem zu lösenden Problem. Aus einer Aneinanderreihung von Fakten und Daten wird ein Zusteuern auf einen Höhepunkt (Ihre Hauptaussage) und anstatt einer Zusammenfassung am Ende zeigen Sie den Zuhörern wie Sie das Ausgangsproblem schließlich gelöst haben, bzw. was Sie vorschlagen.
Das ist eine völlig andere Herangehensweise an eine Präsentation und bedarf besonders bei der Vorbereitung von Vorträgen ein Umdenken. Aber es lohnt sich und das Publikum wird es Ihnen ganz bestimmt danken.
Mit sommerlichen Grüßen Karin Thier