… oder, die „Bühler-Spätzle“ vom Ochsen-Wirt.
Wer Augen und Ohren offenhält, dem begegnen spannende, nachdenkliche, lustige, aber auch herzbewegende Geschichten immer und überall.
Eine wirklich herzbewegende Geschichte hörte ich letzten Sonntag. Erzählt wurde sie vom alten „Ochsen-Wirt“ in einem Restaurant unweit vom schönen Schwäbisch Hall, in dem ich mit meiner Familie zu Mittag aß.
Voll war es an diesem Sonntagmittag in der Gaststube des Ochsens. Es roch nach Braten und allerhand verheißungsvollen mehr aus der Küche. Wir hatten unser Essen gewählt und warteten. Da trat der alte „Ochsen-Wirt“ an unseren Tisch. Er war die ganze Zeit schon von Tisch zu Tisch gegangen und unterhielt sich mit jedem seiner Gäste. Manche kannte er schon lange und man tauschte Freundlichkeiten und Neuigkeiten aus, andere so wie wir waren ihm unbekannt, aber er nahm sich auch Zeit für einen kleinen Plausch mit uns. Irgendwie kamen wir auf Heidelberg zu sprechen und er erzählte uns folgende Geschichte:
„Eine Familie von hier, die haben ein kleines Mädchen, das hat unheilbar Krebs, das ist jetzt in der Uniklinik in Heidelberg. Das ist tragisch, beide Eltern gesund und das Mädchen todkrank, aber was willsch‘ mache? Die versuchen dort dann ja den armen Kindern alle Wünsche zu erfüllen und die Kleine hat gesagt, dass sie so gerne „Bühler-Spätzle“ essen würde (Anm. Schwäbische Nudel-Spezialität des Ochsens). Die von der Uni-Klinik haben dann gleich zwei Sorten Spätzle gebracht, aber sie sagte: „Nein, das sind keine echten „Bühler-Spätzle“.“
Keine Minute später kam die Bedienung mit unserem Essen. Herr Bühler verabschiedete sich und ich sah sie leibhaftig vor mir: die „Bühler-Spätzle“! Andächtig aßen wir und meine Mutter sagte: „Ja, die sind wirklich gut die Spätzle.“ Ich pflichtete bei.
Seitdem gehen mir die Spätzle und die Geschichte mit dem todkranken Mädchen nicht mehr aus dem Kopf.
Unverwechselbare Geschichten und Anekdoten – weit und breit meist nichts davon zu sehen
Heute habe ich die Homepage des Ochsens besucht und mir auch das Video über das dazugehörige Hotel angeschaut
Und jetzt komme ich dazu, warum ich diese Geschichte hier überhaupt erzähle: Nun, Homepage und Film erfüllen sicher ihren Zweck. Man erfährt dort alle Daten und Fakten über Restaurant und Hotel, die man wissen muss, sogar ein bisschen etwas über die Historie des Hauses, aber leider nichts darüber, was dieses Haus besonders oder einzigartig macht. Nämlich die Menschen und die kleinen und großen Geschichten die sich dort abgespielt haben.
Schade, dass auf der recht nüchternen Homepage und im Imagefilm nicht auch die Besitzer und Mitarbeiter zu sehen sind, die Herz und Seele des Ochsens ausmachen. Warum erzählt uns der Ochsen-Wirt nicht, was das Besondere an diesem Ort ist, führt uns durch die Räume, mit denen er und seine Familie so viele Erinnerungen teilt, gibt die ein oder andere Anekdote über die Spezialitäten des Hauses weiter, oder ein langjähriger Gast kommt zu Wort und berichtet von Feierlichkeiten im Haus heute und früher?
Das kleine Bisschen mehr: Die Kunst, den richtigen Mix aus abstrakter und narrativer Darstellung zu finden
Natürlich erwarten und brauchen wir auch Informationen über die Zimmerausstattung und Menüpreise, aber wer möchte nicht neben einem simplen Hotelaufenthalt, oder einem Mittagessen auch Atmosphäre schnuppern und ein kleines Bisschen mehr erfahren. Dieses kleine Bisschen mehr, ist nicht selten genau der Unterschied, der dazu führt, gerade dieses Hotel, oder Restaurant auszuwählen und nicht ein anderes.Und dieser kleine Unterschied ist es auch, der den Unterschied ausmacht zwischen einer der zahllosen Übernachtungen und Mittagessen die wir schon längst wieder vergessen haben und derer an die wir uns erinnern und von denen wir Freunden und Kollegen erzählen.
Mit seinen Erzählungen an unserem Tisch, hat der „Ochsen-Wirt“ genau das bei mir erreicht.
Der Mut zur narrativen Außendarstellung fehlt oft noch
Warum, so frage ich mich nicht dieses Besondere, die Atmosphäre, das Authentische, das Unverwechselbare, das Echte, das Einzigartige, auch im Image/Marketing/Employer Branding/Recruiting nach außen zeigen?
Ich bin sicher, Homepages, Image-Filme, Firmenbroschüren, Facebook, Youtube, Twitter, etc. warten alle schon sehnsüchtig darauf mit solchen Geschichten gefüllt zu werden. Aber nur wenige nutzen bisher diese Chance und trauen sich innovative, persönlichere Inhalte zu zeigen. Um dies zu ändern, haben wir zu einer Storytellingkampagne aufgerufen. (Siehe auch Blogbeitrag zu Storytellingkampagne von NARRATA und Social Media Recruiting mit Storytelling von Nina Kalmeyer).
Gerade für den Mittelstand, Gastronomie und Tourismusbranche besteht hier eine zukunftsweisende Möglichkeit ein unverwechselbares Alleinstellungsmerkmal aufzubauen.
Und da bin ich zu guter Letzt bei einem Begriff angelangt, der uns in Zukunft noch häufiger beschäftigen wird: Content Excellence. Aber dazu mehr in einem der nächsten Blogbeiträge.
Bis bald, Karin Thier